Ein Kolonialwarenladen in einem kleinen Westerwalddorf vor 1914

Das war die Zeit, da es in den Städten noch keine Selbstbedienungsläden, keine „Shops" und keine „Boutiquen", sondern nur einfache Läden oder Fachgeschäfte gab. Auf dem Lande waren die bäuerlichen Familien in vielen Fällen noch autark. Zum Essen und Trinken wurde wenig gekauft; das Brot wurde selbst gebacken, Fleisch, Wurst und Speck lieferte die Hausschlachtung, Milch und Butter ergab die Viehhaltung. Ja auch das Speiseöl wurde von vielen Familien durch den Anbau von Raps erzeugt. Aber es gab auch Waren für den täglichen Bedarf, die man in den im Dorf befindlichen kleinen Läden kaufte.

An der Hauswand des Ladens hing ein Schild mit der Aufschrift „Kolonialwarenhandlung von ... „. Der Laden selbst war eine Stube, welche vom Hausflur aus betreten wurde. Einen direkten Ladeneingang von der Straße gab es nicht. An den Innenwand, über der Ladentür, befand sich eine Schelle. Im Laden stand links an der Wand neben der Tür ein Stahlfass mit Petroleum. Die Petroleumlampe war damals als Nachfolger des Öllämpchens auf dem Lande das Beleuchtungsgerät. Rechts neben der Tür stand ein Fass mit Speiseöl, daneben ein Fass mit Salzheringen. Das Petroleumfass und das Ölfass waren mit Pumpen versehen, um den Inhalt in die Kannen der Kunden anzufüllen. Die Ladentheke, gegenüber der Eingangstür, sah wie eine große Kiste aus, einen Meter breit, zwei Meter lang. An den Kopfseiten der Theke waren hohe Stützen angebracht, an denen eine Stange befestigt war. Daran hing, über der Mitte der Theke, die Waage, rechts und links davon Papiertüten. Auf der Theke stand ein großes Glas mit einfachen Bonbons, den Zuckerschtään. Unter der Theke befand sich eine Schieblade: die Ladenkasse. Sie war unterteilt für große und kleine Münzen. Hinter der Theke stand ein Sack Salz, ein Sack Zucker und ein Sack Weizenmehl. An der Wand hinter der Theke befand sich ein Regal mit Fächern und kleinen Schiebläden. Im Regal standen die Pakete mit Pfeifentabak - 125 Gramm zu 18 Pfennig und 250 Gramm Grobschnitt zu 30 Pfennig. Es gab auch schon Zigaretten, das Stück zu einem Pfennig, und Zigarren zu 5 und 10 Pfennig, auch drei Stück zu 20 Pfennig. In einem Fach lagen Pakete mit Streichhölzern. In den Schubfächern befanden sich gemahlener Pfeffer, Pfefferkörner, Zimt, sonstige Gewürze sowie Rosinen und Korinthen. Für eine Schachtel in dem Regal interessierten sich besonders die Kinder. Darin war nämlich Schokolade, kleine Täfelchen, die nur 5 Pfennig kosteten. Auch Päckchen mit Bohnenkaffee standen in dem Regal, das halbe Pfund zu 80 Pfennig.

Der Kaffee kam meist aus Neuwied von der Firma Missong. Auf dem 250-Gramm-Paket war ein Pfau aufgedruckt, und der Werbespruch lautete: „Ein Hochgenuss für Mann und Frau ist Missongs Kaffee mit dem Pfau". Unter der Theke standen ein großer Karton mit Kernseife und ein Bottich mit Schmierseife. Auch Seifenpulver war zu kaufen. Aber nicht so große Packungen wie heute, sondern Päckchen zu 250 und 500 Gramm. An der Wand zur Straße befand sich ein einfaches Fenster, kein „Schaufenster", an dem kleine Reklameschilder hingen. In diesen Läden gab es auch Schreib- und Rechenhefte sowie Schiefertafeln und Schiefergriffel für den Schulbedarf.

Der kleine Dorfladen war aber auch die Nachrichtenbörse des Dorfes. Alle Begebenheiten wie Geburten, Hochzeiten, Sterbefälle, Krankheiten und sonstige Ereignisse wurden an der Ladentheke durchgehechelt.

So war das, kurz geschildert, früher in den kleinen Läden in den Dörfern des Westerwaldes - und vielleicht auch in Rengsdorf ? Wer erinnert sich noch daran ? Heute sind in vielen Orten solche Läden nicht mehr vorhanden, für die Bewohner ist es schwer und umständlich einzukaufen. Wer da kein Auto besitzt, hat es besonders schwer. In letzter Zeit gibt es allerdings ambulante Lebensmittelhändler, welche die Dörfer beliefern.

Mit dem Verschwinden der Dorfläden ging auch ein Teil der Dorfgemeinschaft - die zwischenmenschliche Beziehung - verloren.

Ernst Zeiler

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